Den Farbraum als Heimat bearbeiten … – zum Werk von Max Holzapfel
Max Holzapfel ist Maler, und er bekennt sich mit einer besonderen Leidenschaft zu dieser Berufs- und Berufungsentscheidung, die sofort weit weg führt von mehr oder weniger aktuellen Kunstdiskursen über Funktion und mögliches Ende der Malerei in Summe, über neue Medien, gesellschaftskritische Fragestellungen etc.. Diese für das aktuelle Kunstgeschehen wichtigen Fragestellungen werden von Max Holzapfel dezidiert nicht – zumindest nicht direkt – bearbeitet; sein Schwerpunktinteresse, seine gesamte Arbeitskraft gilt vielmehr künstlerischen Fragestellungen, die über viele Jahrhunderte Künstlerpersönlichkeiten herausgefordert und beschäftigt haben: Es geht um den Farbraum, es geht um die malerische Durchdringung von Raumwahrnehmung(en), es geht um das Komponieren von Farbschichten zu interessanten, neuen, aufregenden und das Auge des Betrachters weiterführenden Bildwerken. An sich geht es um Grundprinzipien klassischer Malerei, um Fragestellungen, die sofort auf die Jahrhunderte lange Entwicklungsgeschichte dieser künstlerischen Disziplin – speziell in Europa – hinführen. Eine aktuell gültige künstlerische Arbeit an diesem Thema ist daher nur dann möglich, wenn sie sich durch die besondere Intensität ihrer Bearbeitung, also durch die Komplexität der hier ausgearbeiteten Fragestellungen und natürlich einfach durch ein profundes Wissen von allen nachschöpferischen Bemühungen abgrenzen kann.
1. Malerei
Immer wieder faszinierend für den kritischen Kunstbetrachter erscheint die Tatsache, dass gegenwärtig auf einer theoretischen Ebene Malerei wenig bis keine Rolle zu spielen scheint – auch wenn in der Praxis intensivst gemalt wird. Die letzte im großen Umfang reflektierte Malereibewegung liegt Anfang bis Mitte der 1980er Jahre zurück – die sogenannten „Neuen Wilden“ haben damals in einer Art von Sturmlauf das Ausstellungs- und auch das Kunstmarktgeschehen kurze Zeit völlig dominiert, um es dann aber auch ebenso rasch wieder Schritt für Schritt zu verlassen. Nach einer mehr oder weniger intensiv geführten „Die Malerei ist tot“ –Diskussion der 1990er Jahre ist nunmehr eine Art prinzipielle „laissez-faire-Situation“ gegeben. Es dominiert eine grundsätzliche Akzeptanz, die das Bildmedium der Malerei als selbstverständlich neben anderen, wie der Fotografie, der Zeichnung oder der Arbeit am und mit dem Computer, betrachtet. Nicht selbstverständlich ist jedoch eine intensiv reflektierte – gleichsam gattungsspezifisch konzentrierte – malerische Arbeitshaltung. Zwar gibt es viele Künstlerpersönlichkeiten, die sich, entweder nach wie vor, oder wiederum verstärkt, mit Grundphänomenen des Malerischen auseinandersetzen, solche grundsätzlichen Fragestellungen werden jedoch kaum im Sinne einer konsequenten selbstreflexiven Untersuchung bearbeitet. Die Malerei dieser seltenen selbstreflexiven Künstler, zu denen auch Max Holzapfel zu zählen ist, vermittelt allerdings genau einen der interessantesten Punkte jeder gegenwärtigen und vergangenen Kunstbetrachtung: Berührt doch Malerei in ihrer grundsätzlichen Aussage genau jene Bereiche menschlicher Wahrnehmung, die auf einer sprachlichen Ebene nicht „objektiv“ definierbar sind, die sich nicht in objektiv austauschbaren Begriffsblöcken vermitteln lassen. Malerei ist in diesem Sinne ein poetisches Ereignis; ein Ereignis, das grundsätzlich das Grenzenlose sucht, das zutiefst von Emotionen, von Sensitivitäten, von Stimmungen und Atmosphären geprägt ist: alles in Summe sehr unscharfe Begriffe – Malerei ist somit unter diesen Vorzeichen das Unscharfe par excellence.
2. Landschaft
Malerei besteht stets aus Form und Farbe. Im Bereich der formalen Komposition gibt es kein anderes halbwegs „gegenständlich“ greifbares Bildthema, das per se so malerisch ist wie die Landschaft. Landschaft ist grundsätzlich immer „unscharf“; ihre Zuordnung hängt von der Nähe und Distanz des Betrachters ab. Landschaft ist ein summarischer Begriff, der immer mehr ist als die Summe der einzelnen Ingredienzien. Landschaft ist geprägt durch eine individuelle Atmosphäre, die aufgrund einer individuell gesetzten Blickperspektive entsteht. Max Holzapfel gestaltet malerische Landschaften. Er bekennt sich zum summarischen Pinselstrich, der vieles an Bilderfahrung des Betrachters zusammenführt. Seine Landschaften sind die Summe vieler Landschaftseindrücke – allerdings festgemacht an einer konkret von ihm geformten Landschaftskomposition. Seine Landschaften schaffen neue Landblicke. Sie stellen ein Gelände vor, das sich durch die malerische Bearbeitung des Künstlers zu einem Landschaftseindruck verdichtet.
3. Farbe
Farbe ist das Grundprinzip von Malerei. Sie ist nach wie vor physikalisch nicht bis ins Letzte geklärt und daher immer noch ein faszinierendes Geheimnis. Im Bereich der Malerei ist Farbe vor allem eine Herausforderung zwischen 2. und 3. Dimension. Farbe wird grundsätzlich als Fläche wahrgenommen; wenn Farbe malerisch bearbeitet wird, entsteht immer eine Schichte bzw. eine Abfolge von geschichteten Farbflächen. Farbe verweist jedoch auch auf Raumempfindungen; auf sehr konkrete Raumwahrnehmungen: So wird uns etwa immer wieder deutlich nachvollziehbar vor Augen geführt, dass wir jedes Rot sehr viel rascher und daher weiter vorne wahrnehmen als sämtliche Blautöne. Farbe kann aber auch durchscheinend sein, sie kann dahinter Liegendes nur halb überdecken, sie kann einen eigenen Bereich markieren. In den Bildern von Max Holzapfel ist die Farbe stets eine faszinierende Welt für sich; ein eigener Bereich, eine Entität, die zwischen Fläche, Raum, Schichtung und Materialität oszilliert, die immer eine eigene Individualität aufweist und sich letztlich in absoluter Weise zum eigenen Geheimnischarakter bekennt.
4. Raum
Die menschliche Raumwahrnehmung funktioniert grundsätzlich durch die im Gehirn erfolgende verbindende Zusammenführung jener partiell unterschiedlichen Bilder, die uns unsere beiden Augen liefern. (Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang natürlich die Doppelbilder des Künstlers.) Eine in unserer Entwicklung immer größere Rolle spielt hier die Erinnerung an vergangene sinnliche Erfahrungswelten im Zusammenhang mit Raum. Raum ist keine statische Größe, sondern eine dynamische, die nur in Verbindung mit Zeit in ihrer Erfahrungsqualität messbar ist. Jenseits des messbaren Raumes existiert allerdings eine Farbraumerfahrung, eine sehr spezielle Wahrnehmung von räumlicher Ausdehnung, die sich physikalisch nicht messen lässt, die seit Jahrhunderten Künstler fasziniert und die sich letztlich nach wie vor nur mit den Mitteln der Malerei bearbeiten lässt. Als Künstler hat sich Max Holzapfel speziell dieser Fragestellung gewidmet. Er konzentriert sich völlig darauf, mit den Mitteln der Farbe Raumeinheiten zu öffnen, aufzubauen, zueinander in Beziehung zu setzen und den Betrachter in eine Weltentwicklung zu führen, die er in anderen Bildkompositionen nicht erleben kann. Einmal mehr betont dieses künstlerische Werk daher den Individualitätscharakter von raumorientierter Malerei.
5. Kunstgeschichte
Max Holzapfel bekennt sich sehr klar zu künstlerischen Vorbildern und zu künstlerischen Herausforderungen, die vielfach Jahrhunderte zurückliegen. Dass aufgrund einer solchen Haltung tagesaktuelle Zuordnungen nicht von Interesse sind, ist offensichtlich. Gerade die Entwicklung der europäischen Kunstgeschichte hat jedoch aufgezeigt, dass eine immer größere Verfeinerung des Blicks auf die grundsätzlichen Fragen von Kunst unabdingbare Voraussetzung für jede Art von künstlerischer Weiterentwicklung darstellt. Der Künstler Max Holzapfel bemüht sich in besonderer Weise darum, diese grundsätzlichen Herausforderungen der Vergangenheit nicht als historisch abgehandelte und zu einem Ende gebrachten Fragen stehen zu lassen, sondern hier noch einen Schritt weiter zu denken und die Frage nach dem Malerischen in aktuell gültiger Form neu zu stellen, bzw. die Sensibilisierung des Blicks auf Farbkompositionen der Vergangenheit als gegenwärtige Aufgabenstellung zu betrachten und daraus einen neuen visuellen Anstoß in Richtung Gegenwart, aber auch neu angenäherter Vergangenheit aufzubauen. Max Holzapfel ist bekennender Maler und präsentiert daher dem Betrachter die Welt der Malerei in ihrer faszinierendsten Fragestellung – in der Frage nach dem differenzierten Farbraum-Erlebnis. Denn; gerade in der Malerei gilt heute mehr denn je das Diktum von Robert Rauschenberg: „Ein Bild ist noch keine Kunst, nur weil es aus Öl und Farbe besteht oder auf Leinwand gemalt ist.“
Peter Assmann, 2004